Längst auf dem seeblog überfällig: Respekt vor Menschen wie Margot Käßmann. Die Bischöfin und Chefin der evangelischen Kirche überfuhr mit 1,54 Promille eine rote Ampel, wobei – gottlob – niemand zu Schaden kam. Sie reagierte nach Politikermanier und zeigte sich erschrocken über ihren Fehler. Einen Tag später besann sie sich und reagierte angemessen. Das macht kein Politiker. Im Gegenteil – aussitzen, lamentieren und wenn gar nichts mehr geht, der Rücktritt – aber sehr selten. Es hat mich sehr beeindruckt, wie Margot Käßmann ihren Rücktritt erklärt hat und für ihr Handeln die Konsequenzen gezogen hat.
Erinnert sich noch jemand an den CSU-Politiker Otto Wiesheu, der 1983 bei einem Unfall im Suff (1,75 Promille) einen Menschen tötete? Mehr noch: Unter Edmund Stoiber wurde der wegen grob fahrlässiger Tötung rechtskräftig zu zwölf Monaten auf Bewährung und 20.000 DM Geldstrafe Verurteilte bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Technologie. So wird das unter Männern (Politiker) gehandhabt.
Übrigens, ähnlicher Fall in der Zeit von Wiesheu in meiner Heimatstadt. Ein Familienvater, 1,4 Promille hat einen unbeleuchteten Fahrradfahrer (auch betrunken) getötet. 2 Jahre ohne Bewährung. Vor dem Gesetz sind alle gleich – dachte ich. Wie es wirklich aussieht, weiss ja jeder.
Da drängt sich aber noch ein anderer Verdacht auf: Männern werden „moralische Verfehlungen“ immer noch eher nachgesehen als Frauen. „Geschieden, vorlaut und jetzt fährt sie auch noch besoffen Auto. Oder liegt es daran, dass die grössten Idioten meistens auch gerne an ihren Sesseln kleben. Die grössten Moralisten und Gutmenschen sind meistens auch die ausgeprägtesten Egomanen – die leben gerne in Paralleluniversen. Da soll mal einer sagen, es gäbe bei uns keine Aliens (siehe Westerwelle).
Nach Anzeigen wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat im Fall Käßmann ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft Lüneburg. Hintergrund ist die Frage, warum die Alkoholfahrt der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann so schnell publik wurde. Ein Antragsteller vermutet, ein Polizist habe die Information an die Bild-Zeitung weitergegeben. Über Bildzeitungsleser muss man ja nichts schreiben – diese haben noch das Weltbild im Kopf als die Erde noch eine Scheibe war.