So, genug von der Welt der Gedanken. Das Ergebnis sieht man jeden Tag in den Nachrichten. Es sind nur die Symptome. Kreativität ist angesagt im Leben; Wandlung bestimmt das Leben. Entstehen und Vergänglichkeit sind die elementaren Bestandteile des Lebens.
Wenn man als Künstler ein Kunstwerk schafft, dann ist dieses Kunstwerk eine Art Momentaufnahme. Alle Kunstwerke sind eine Aneinanderreihung von Momentaufnahmen – also der Entwicklungsweg. Wo kann ich das SELBST erkennen? In den vergangenen Kunstwerken? Oder doch im HIER und JETZT – also gerade jetzt, während ich es male?
Erstmal der biologische Faktor
Der Mensch als biologisches Wesen? Die Biologie ist in gewisser Weise unabhängig von den in Physik und Chemie geltenden Naturgesetzen, da die Besonderheiten der einzelnen Arten nicht aus reproduzierbaren Gesetzen, sondern aus einmaligen historischen Ereignissen heraus entsteht. Deshalb sollte man in der Biologie nicht von Gesetzen, sondern eher von Konzepten sprechen. Denn zu jeder anderen Zeit herrschen andere Gesetze bzw. Konzepte. Der Mensch als Krone der Schöpfung hat sich schliesslich nicht nach Naturgesetzen entwickelt, sondern aus historisch entwickelten Ereignissen. Dass wir heute älter werden als vor 800 Jahren, liegt nicht an einem Naturgesetz, sondern an der Entwicklung, den Erkenntnissen der Naturforschung und dem technischen Stand dieser Entwicklungen.
Die Entstehung des Lebens
Fest steht, dass diese Entwicklung seit 15 Milliarden Jahren andauert und dass das Universum, die Entstehung des Lebens und letztlich des Menschen Teil dieser langsamen Evolution sind. Von ein und derselben Bewegung ausgehend, reihen sich die einzelnen Etappen aneinander wie die Glieder einer Kette. Der Mensch stammt ebenso von Affen und Bakterien ab wie von Himmelskörpern und Galaxien. Der Anfang war der Urknall, von dem wir so gut wie nichts wissen.
Warum existiert das Universum? Warum ist die Erde so einzigartig und warum leben wir? Nur weil wir da sind und uns diese Fragen stellen können?
Wo lebt der Mensch – überall?
Die graue Theorie: Der Mensch lebt im „Hier und Jetzt“ und das bedeutet: Das Leben ist immer in der Gegenwart, also „hier“ und „jetzt“. Denn die Vergangenheit ist immer schon vorbei und die Zukunft noch nicht erreicht. Oder in der Sprache des Existentialismus: „Der Mensch versteht sich selber nur im Erleben seiner selbst.“ Das „Sein“, also das, was ist und das, was ich bin, ist nur zu verstehen durch das Gewahrwerden vom gegenwärtigen Ort und der gegenwärtigen Zeit. Diese Inhalte und die daraus für das Leben und den persönlichen Entwicklungsprozess entstehenden Konsequenzen werden im Begriff „Hier und Jetzt“ verdichtet.
Tatsächlich lebt der Mensch selten im „Hier und Jetzt“. Dank seines Verstandes lebt er entweder in der Zukunft oder in seiner konditionierten Vergangenheit, die wiederum seine Ängste in die Zukunft transportiert. Das Aberwitzige dabei ist, dass der Mensch aufgrund seines Verstandes meint, es wäre das „Selbst“. Der Verstand ist aber nur das Werkzeug. Somit bestimmt der Mensch sein Werkzeug als sein ICH, das SELBST, den EGO.
Viele suchen ihr Heil in den östlichen Philosophien. Im Tantra ist das „Hier und Jetzt“ im Sinne von „permanentes Gewahrsein“ ein zentrales Element und im Buddhismus ist das „Hier und Jetzt“ Bestandteil der Achtsamkeit (Achtfacher Pfad). Darüber kann man auch viel nachdenken, bringt aber rein überhaupt nichts – ausser man ist genau da, wo man ist – in der LEERE.
Wenn ich in der heutigen Zeit über Power-Entspannung und Power-weissderteufelsonstnochwas sinniere und beschäftige, bin ich nur in der oberflächlichen Welt und weit davon entfernt, zu dem zu werden, was ich werden will. Der Schnellkurs zum höheren Bewusstsein ist erstmal der konträre Weg und doch geht es womöglich damit schneller zur Erkenntnis. Paradoxien sind nicht ausgeschlossen.
Der Mensch sucht sich, aber wo?
Interessanterweise sucht der Mensch sein ICH, seine Bestimmung überall, aber nie dort, wo er gerade im „Hier und Jetzt“ ist. Man kann sein ganzes Leben lang sich suchen und es nie finden, wie auch. Das SEIN ist nie in der Vergangenheit und auch nicht in der Zukunft. Man kann ewig darüber nachdenken und genau das ist das Paradoxe. Wenn ich denke, bin ich nicht!
Der Mensch liebt nicht die LEERE und STILLE; er fürchtet sich davor. Deshalb muss er immer in Bewegung bleiben, seinen analytischen Verstand benutzen, sich mit Problemen beschäftigen, die sein Verstand verursacht hat und die wiederum mit dem Verstand gelöst werden. Wie gesagt, man ist überall, nur nicht da, wo man sich befindet. Denn nur wer denkt, IST. Frei nach Cogito ergo sum (lat.: „Ich denke, also bin ich“), dem Grundsatz des Philosophen René Descartes. Laut Jaakko Hintikka ist das „Cogito ergo sum“ kein logischer Schluss, sondern die Vermeidung eines performativen Widerspruchs. D. h., wenn ich versuche, meine Nichtexistenz anzunehmen, muss ich unweigerlich meine Existenz anerkennen. Auch ziemlich tricky.
Unser Verstand ist nichts als eine gewaltige Hochleistungs-Etikettiermaschine mit Bewertungsmuster, konditionierten Vergangenheitsschemas und grossen Realitätsmusterkoffer.
Deshalb – darüber nachzudenken, wird zu keinem Ergebnis führen. Denn das Nachdenken entfernt mich von der Erkenntnis, was die LEERE, die STILLE (das Nichtdenken) und das SEIN im „HIER und JETZT“ ist.
Warum gibt es Reinkarnation, das Leben nach dem Tod?
Weil der Mensch ohne sein EGO ein ganz armer Mensch ist. Deshalb braucht er die Philosophie, um den Glauben an sein EGO und SEIN zu rechtfertigen. Witzigerweise reinkarniert der Mensch täglich in seinem Leben – so gesehen, stetig. Oder er schleppt irgendein Karma mit sich herum, das er im jetzigen Leben auflösen muss. Die Katholiken haben es da besonders schwer. Es sind nur Gedankengebilde, die durch das Denken zur Realität werden. So entsteht dann die Hölle, leider nur direkt auf dem Planeten, auf dem ich mich gerade befinde und sonst nirgendwo. Deshalb gibt es für den Menschen auch Gott. Der Mensch braucht immer die Absolution für sein „Dasein“. Keiner findet es gut, dass wir das Produkt aller Möglichkeiten und Unmöglichkeiten sind. Es ist der Zufall und die Bestimmung gleichzeitig.
Das EGO braucht ein Weiterleben nach dem Tod. Nichts ist unerträglicher für das EGO als das NICHTS. Deshalb klammern sich alle bei dem Gedanken, was nach dem Tod noch sein könnte, an die Hoffnung auf das Paradies oder sonstigen Gedankenmüll. Ich muss euch enttäuschen – das EGO und SELBST zerstört sich selbst und was danach kommt, ist grossartiger als alle EGO`s der Welt. Es ist alles und nichts. Es ist der Inbegriff aller Möglichkeiten, aller Neuanfänge, aller Realitäten und trotzdem ist es das NICHTS! Punkt. Das ist das Grossartigste, was wir haben – das NICHTS, aus dem etwas Neues entstehen kann.
Nochmals: Die Gedanken schaffen unsere irrsinnige Realität, die wir täglich auf dem Planeten Erde erleben. Das NICHTS, die STILLE schafft die gesamte Realität auf einen Punkt ohne Bewertung. Wenn wir wirklich etwas zum Guten verändern wollen, müssen wir das anerkennen und stellen aber gleichzeitig fest – das Gute gibt es überhaupt nicht. Denn erschaffen wir es, erschaffen wir auch das Gegenteil.
So mal nachdenken …
Genau richtig, denken wir doch mal über das Geschriebene nach und man wird nicht auf den Punkt kommen. Macht aber nichts, denn die LEERE kommt ja sowieso. Machen wir doch mit unseren Gedanken, unserem Verstand so weiter wie bisher – leben wir den gedanklichen Irrsinn aus.
Was kann man tun?
Erkenne deine Gedankenmaschine, beobachte sie und du wirst erstaunt sein, wieviel Müllgedanken herumschwirren. Sei im HIER und JETZT, in der STILLE, in der LEERE und den Rest verstehst du von selbst. Ach ja, und lache.
P.S. Der Verstand braucht unser Bewusstsein als Energie. Zieht diese Energie doch einfach mal ab.
P.P.S. Nicht, dass der Eindruck entsteht, ich lebe im absoluten „Hier und Jetzt“. Ab und zu steige ich komplett aus. Das gehört auch zum Leben. Hauptsache, man kommt wieder zurück – dann ist es wieder sehr humorvoll (natürlich nur rückblickend). So bleibt das Leben sehr spannend.