IM Schubert (Reloaded)

Reloaded :: Die Problematik der Gerechtigkeit. Da ich nun sehr viele Mails bekommen habe, warum ich den Artikel des IM Schubert gelöscht habe, befasse ich mich nochmals mit dieser Thematik. In diesem neuen Text sind alte Bestandteile des Textes vom gelöschten Bericht. Ich bin aussenstehender und kein betroffener – vielleicht kann ich auch deshalb unbefangener das Thema angehen.

Auslöser war der Bericht im ARD-Kontraste. Nach längerer Überlegung, wie man so eine Sache gerecht lösen kann, war ich in einer Sackgasse gelandet. Eine emotionale Lösung gibt es nicht, denn wenn man das Opfer war und wegen der Bespitzelung in ein Gefängnis kommt, dann will man das dieser Mann auch zu seinen Taten steht und im besten Falle seine Strafe bekommt. Die unbekannte Grösse ist der IM Schubert selbst, über ihn, ausser seinen Taten weiss man nichts. Dazu kommt, das ich mich auf die Quellen wegen der schwere der Tat verlassen muss, ich kann sie nicht objektiv verifizieren.

Hier die Punkte der Überlegung:
Die Schwere der Tat, Moral, Zeitraum des Mauerfall 1989 bis jetzt, die Opfer, der Täter und die berühmte Gerechtigkeit. Nach langer Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, das „Gerechtigkeit“ keine eierlegende Wollmilchsau ist. Gerechtigkeit ist generell zweischneidig und kann den Charakter der Moral je nach Ort und Zeitraum (geschichtlich gesehen) verändern.

Natürlich stellt sich auch die Frage, wie lange die Vergangenheit beleuchtet werden soll. Der Mauerfall ist einige Zeit zurück (1989), also fast 19 Jahre und es sollte die schwere der Tat berücksichtigt werden um diesen Fall zu beleuchten. Sind wegen den Aktivitäten Menschen in ein Gefängnis gekommen oder welche Repressalien wurden für die bespitzelten Menschen von der Stasi angewendet, aufgrund der Bespitzelung von IM`s.

Wäre auch interessant, wie der Betroffene heute zu seiner Aktivität als IM steht. Aufarbeitung der Vergangenheit ist immer ein zweischneidiges Schwert. Zum einen tut mir der Mann irgendwie Leid, aber auf der anderen Seite und ich gehe davon aus, dass das Magazin ARD-Kontraste gut recherchiert hat, ist eine schwere Konsequenzen durch die Bespitzelung bei den Opfern entstanden (Gefängnis) und die grosszügige Belohnungen von der Staatsseite wegen der Spitzeldienste ist nicht unerheblich. Genauso muss die Gegenseite beleuchtet werden, denn es gibt auch diejenigen, damit meine ich nicht den Religionslehrer der Ausstellung, die eine sehr offensive und aggressive Vergangenheitsbewältigung als ihr Lebensziel sehen. Auch diese Leute, die sich moralisch auf der guten Seite befinden, können schnell in ein anderes Extrem kommen. Wie früher bei der Hexenjagd. Natürlich ist so ein Thema sehr polarisierend.

Vergangenheitsbewältigung
Wie löst man das Dilemma mit moralischen Ansprüchen, auf der einen Seite stehen die Täter und auf der anderen Seite die Opfer. Die Lösung wäre ein Kompromiss. Die maximale Aufarbeitungszeit der Stasivergangenheit darf nicht länger existieren als die DDR bestanden hat. Im Einzelfall ist zu überprüfen welchen Schaden der IM angerichtet hat. Es ist schliesslich ein Unterschied ob jemand wegen der Bespitzelung für 10 Jahre in das Gefängnis wandert oder es eher kleine Repressalien vom Regime der DDR waren. Wenn es kleinere Vergehen waren, müssen sie nicht unbedingt nach 18 Jahren Vergangenheit an die Öffentlichkeit kommen. Eine gewisse Flexibilität in dieser Sache wäre sicherlich angebracht. (Beim Fall IM Schubert wäre es das kleinere Übel gewesen, die Ausstellung ohne Gerichtsbeschluss weiterlaufen zu lassen, nun weiss es der ganze deutschsprachige Raum den Namen und bekommt eine ganz andere Dimension).

Auch ein IM kann einsehen, dass er ziemlichen Mist gebaut hat und diese Chance sollte jeder Mensch haben. Ich beleuchte das Thema natürlich aus der Entfernung und bin auch nicht betroffen, deshalb kann ich die beiden Seiten auch gut verstehen. Die Opfer die nicht vergessen können und die Täter die schnell vergessen.

Aber bleiben wir bei dem IM Schubert, hier scheint eine schwere der Tat zu bestehen. Die einzige Strafe seines Handelns ist die Veröffentlichung seines Klarnamens. Er bestreitet nicht seine Tätigkeit, was man schon positive Bewerten kann. Wie hat der Mann die letzten 18 Jahre gelebt, immer mit der Angst vor öffentlicher Aufdeckung seiner Taten?

Mein Fazit: Vernünftig wäre es, wenn sich die ehemaligen IM mit den Betroffenen auseinandersetzen. Die Täter müssen ihr Verhalten als falsch anerkennen, bei schweren Vergehen sollte es unproblematisch sein, wie in diesem Falle, den Klarnamen bei einer Ausstellung zu nennen. Es sollte ein demokratischer Prozess ablaufen, emotional und moralisch haben die Opfer sicher Anspruch auf eine Form von Bestrafung, dies wäre die Öffentlichkeit. Die kleinen Vergehen (wie kann man die definieren?) sollten nach 20 Jahren erledigt sein, die DDR existierte von 1949-1989, also 40 Jahre – dieser Zeitraum sollte für die schweren Vergehen eines IM als Grundlage für Veröffentlichungen seines Klarnamens gelten, 30 Jahre für mittlere Vergehen. Das wäre meine Lösung.
Ausser ein IM versucht mit den Betroffenen und freiwillig ein Gespräch und versucht eine Aufarbeitung der Vergangenheit – aber das glaube ich, ist nur ein Wunschdenken. Im Prinzip müssten die Opfer über die Veröffentlichung eines Klarnamens entscheiden.

Der Rechtsstaat
Besonders heikel ist das Thema wegen dem Gerichtsurteil. Der Pfarrer darf den Namen nicht im Klartext nennen, nun war aber der Bericht im ARD mit Namensnennung. Dies ist ein Schritt zu einer absoluten Öffentlichkeit, man hat den Namen im Fernsehen hören können und kann es zusätzlich bei Kontraste nachlesen, diese Information ist nun ja „sehr Öffentlich“.
Zum anderen gibt es das Urteil des Bundesverfassungsgericht (1994, wonach nur die Namen von IM mit exponierter Stellung oder einer heute herausragenden Position veröffentlicht werden dürfen), das steht meineserachtens über jeder anderen Gerichtsbarkeit. Wie kann es sein, das ein Gericht das Urteil des Bundesverfassungsgericht übergeht. Hier sollte die Rechtsprechung der Gerichte auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht zurückgegriffen werden.

Zumindest scheint doch eins klar, die Vermeidung war der eigentliche Sprengstoff zum jetzigen Desaster für den IM Schubert – das hat aber das Gericht zu verantworten. Der IM Schubert hat nur sein demokratisches Recht wahrgenommen um eine Verfügung zu bewirken (das sollte der Mann auch mal bedenken, zur DDR Zeit gab es dieses demokratische Recht nicht).

Update April: Wie es scheint wird das Urteil am 22. April aufgehoben. Der Rechtsanwalt Thomas Höllrich, eine Lokalgrösse der Linken vertritt den IM Schubert – das zeigt das zumindest die Linken im Osten noch ziemlich mit dem alten Regime verhaftet sind. Dafür gibt es in Westdeutschland die alten KPD-Anhänger. Anscheinend gibt es auch noch einen zweiten ehemaliger Zuträger des Ministeriums für Staatssicherheit, dieser geht inzwischen ebenfalls gegen Käbischs Ausstellung vor, auch er ist vertreten von Höllrich.
Dass der IM einen Präzedenzfall schaffen wolle ist mittlerweile jedem klar, das würde für die Zukunft bedeuten, das jeder ehemalige IM gegen den Klarnamen klagen kann und dann auch Recht bekommt. Das wäre für die Zukunft ein fatales Signal. Denn nach meiner Meinung sind noch 22 Jahre Zeit vorhanden um die Vergangenheit abzuschliessen.

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Hier die Kommentare des Beitrags (aus der Datenbank rekonstruiert, kann sein das ich nicht alle erwischt habe):

Holgi: Die Tat sollte niemals zeitlich terminiert werden. Ob in 20 oder 50 Jahren. Wer Schuld auf sich geladen hat, sollte dafür büssen.

Ich: @Holger: So sehe ich das nicht, irgendwann muss ein Schlussstrich gezogen werden, sonst geht es endlos.

Holger IM: Sehr sachlich formuliert! Eine Hexenjagd bringt nicht viel. Aufarbeitung heisst: Sich den objektiven Tatbestand anzusehen und darüber zu reden. Danke für den sachlichen Artikel, der auch die Jäger und Gejagten berücksichtigt.

Ebert: Mir tut der IM nicht leid!!! Er hat anderen viel Leid bereitet.

Ebert: Gut geschrieben! Aber sie sind in der Schweiz auch nicht bespitzelt worden. Demokratie heisst auch über unbequeme Vorfälle zu reden.

Ronny: IM Schubert war kein Genosse geschweige denn ein Verbrecher.
Im Gegenteil , die meisten Jugendlichen, die er beobachtet standen kurz vor ihre Inhaftierung ,angeschwärzt von den sogenannten guten Bürger der DDR, denen er meist das Gefängnis ersparte.
Durch seine Betreuung und seine Berichte über die Jugendliche konnte er meist der staatlichen Stellen überzeugen, dass die Anschwärzungen fast immer haltlos waren. Meisten verhinderte er nicht nur Gefängnis sonder gab diesen Jugendlichen auch persönlichen halt.
Solches an dem Pranger stellen dieses IM ist ein Verbrechen.

Ich: @Ronny: Das ist normalerweise tatsächlich der zweite Schritt. Der IM Schubert war ein guter Mensch und hat Jugendliche vor dem Gefängnis bewahrt.

Der dritte Schritt: Es stellt sich im Nachhinein heraus, das diese Aussage „Wunschdenken“ ist, besonders wenn die Nachricht vom zweiten Schritt aus dem Bekanntenkreis kommt oder von anderen ehemaligen IM`s. Vielleicht stimmt in diesem Falle auch das Beispiel, ist aber vermutlich nur ein Teil von der Wahrheit und zwar nur die positive Variante. Zumindest hat Kontraste noch andere Unterlagen, die das Gegenteil aussagen.

Der vierte Schritt: Der IM Schubert sieht sich einer Verschwörung gegenüber. Es ist ein normaler menschlicher Vorgang die Vergangenheit so hinzudrehen, damit sie schöner aussieht und bis man selbst daran glaubt.

Der fünfte Schritt: … wenn es ein ordentliches Rechtssystem gibt, wird das Urteil der Ost-Richterin aufgehoben und die Ausstellung kann gezeigt werden.

Der fünfte mögliche Schritt: Das Urteil bleibt bestehen und der Pfarrer wird mit einer hohen Geldbusse bestraft. Dann bin ehrlich gesagt froh in einem der (noch) demokratischsten Länder zu wohnen, in der Schweiz. Dann ist Deutschland wieder bei der DDR angekommen.

Werner: @Ronny: So ein Quatsch!
@Michael : Gut analysiert! ich hoffe wir haben in Deutschland noch ein demokratisches Rechtssystem.

Stasi IM: Ich wollte als IM auch nur gutes tun und ich bekam viel gutes zurück (Geld und Urlaubsreisen von der Stasi). Ich glaube ich muss kotzen …

Klaus: Tragisch wenn man seine Meinung nicht mehr frei äussern kann, wegen der Ossirichterin. :-(

Klaus: Ehemalige Stasi-Leute behindern laut Birthler Aufarbeitung
Berlin (dpa) – Ehemalige Stasi-Mitarbeiter versuchen nach Ansicht der Stasi-Unterlagenbeauftragten Marianne Birthler immer mehr, die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zu behindern. In jüngster Zeit sei zu beobachten, dass Ex-Mitarbeiter häufiger gegen das Bekanntwerden ihrer Namen klagen. Das behindere die öffentliche Auseinandersetzung, sagte Birthler der dpa. Dieses Phänomen sei neu, sie sehe es mit Sorge.

ein ex IM: Sie schreiben: „Auch ein IM kann einsehen, dass er ziemlichen Mist gebaut hat und diese Chance sollte jeder Mensch haben.“

Auch wenn das Thema mir gehörig auf die Nuss geht, so sehe ich doch hier eine etwas objektivere, auch neutrale Meinung zu diesem Fall. Die meisten Berichte sind eine Hetzjagd auf den ehemaligen IM Schubert.

Hochachtungsvoll
ein ex IM

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Die anderen Kommentare sind bei: DIE WELT UND DER CHINESISCHE ALPTRAUM! (ATTACKE AUS PEKING) zu sehen, ich bekomme sie nicht hierher verschoben.